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Wie hoch ist die Aufschlaggeschwindigkeit auf einen festmontierten Gegenstand der danach 7m weit fliegt?

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... wenn der Gegenstand festmontiert ist, kann er anschließend nicht 7m weit fliegen. Falls das keine Witzfrage sein soll, so mache bitte eine Skizze, die zeigt, was auf was aufschlägt und anschließend wie wohin fliegt.

Der Gegenstand ist der Außenspiegel eines Fahrzeuges und wird dabei abgerissen.

Und wo ist nun die Skizze? 

WP_20170316_005.jpg Der Außenspiegel wurde komplett mit Fassung abgerissen!

Was wissen wir zur Außenspiegelhöhe am PKW?

Soll das Ganze über einen vollkommen elastischen Stoß modelliert werden?

also ein wahrlich praxisnahes Problem! 

Sage uns bitte noch, wie hoch der Außenspiegel über dem Boden am Auto montiert war (geschätzt 1,10m) und ob er 7m weit geflogen ist, oder in 7m Entfernung liegen geblieben ist. Ich nehme an letzteres. Weiter wäre noch gut zu wissen, ob die Stelle am LKW, mit der der Spiegel kollidierte, einigermaßen vertikal ausgerichtet ist, oder in einem Winkel nach hinten steht (z.B. Motorhaube).

Was wiegt der abgerissene Spiegel so ungefähr?

Ich kann Dir dann am Wochenende eine ausführlichere Antwort geben.

"Soll das Ganze über einen vollkommen elastischen Stoß modelliert werden?"

das ist doch eher eine Frage von Thommy an uns und nicht umgekehrt. Sicher nicht als vollkommen elastisch. Das ist Blech und/oder Kunststoff und da ist sicher auch was verbogen oder zerbrochen.

Der Spiegel war 90 cm über dem Boden montiert. Er blieb nach 7 m liegen. Das Gewicht ist ca 1,5 kg. Er war mit 4x M5 Schrauben montiert. (Abscherkraft per Schraube 10000 Newton)

Die Aufprallstelle am LKW ist komplett senkrecht.

Vielen Dank im voraus.

1 Antwort

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Hallo Thommy,

ich unterstelle, dass es darum geht, die Geschwindigkeit des LKW abzuschätzen. Lassen wir zunächst alles weg, was die Sache kompliziert macht, dann kommt man zu folgendem:

Die Geschwindigkeit, die der Spiegel (nicht der LKW) unmittelbar nach dem Abreißen hatte, sei \(v_0\). Unter Vernachlässigung des Luftwiderstandes und der Montagehöhe des Spiegels von \(h_0=0,9\text{m}\) ergibt sich eine vertikale(!) Fallzeit \(t_F\)

$$h_{\text{End}} = 0 = -\frac12 g \cdot t_{F}^2 + h_0$$

$$t_F= \sqrt{\frac{2h_0}{g}} = \sqrt{\frac{2 \cdot 0,9\text{m}}{9,80665 \frac{\text{m}}{\text{s}^2}}} \approx 0,428 \text{s}$$Unter Vernachlässigung einer Rutschstrecke auf dem Boden ergibt sich für die Geschwindigkeit \(v_0\)

$$v_0 = \frac{7\text{m}}{0,428 \text{s}} \approx 16,3 \frac{\text{m}}{\text{s}} \approx 59 \frac{\text{km}}{\text{h}}$$Angenommen, der Stoß war rein plastisch, dann ist Startgeschwindigkeit des Spiegels gleich der LKW-Geschwindigkeit. Hat der Stoß elastische Anteile, so ist die Geschwindigkeit des LKW kleiner. Den Wert von \(59 \text{km/h}\) sehe ich als obere Grenze für die Geschwindigkeit des LKWs. Er war sicher langsamer - fragt sich um wie viel?

Ich vermute, dass die Rutschstrecke noch einen großen Einfluss hat. Dazu unterstelle ich auch, dass der Spiegel nicht springt, also nach dem ersten Aufprall noch mal hoch springt. Zur Berechnung benötigt man den Reibungskoeffizienten \(\mu\)  zwischen Spiegel und Straße. War die Reibung groß so kann man ein \(\mu=0,3\) annehmen - d.h. der Spiegel würde erst auf einer Straße mit \(30\%\) Steigung oder mehr selbstständig die Straße hinunter rutschen. Ist die Reibung kleiner, so schätze ich \(\mu=0,1\).

Nach dem Energieerhaltungssatz wird die Bewegungsenergie aus der horizontalen Bewegung \(v_H\) des Spiegels nach dem Aufprall durch die Reibung abgebaut. Unter Vernachlässigung des Luftwiderstandes ist \(v_H = v_0\). Ist \(b\) der Bremsweg des Spiegels und \(m\) seine Masse, so gilt:

$$\frac12 m \cdot v_H^2= \mu \cdot m \cdot g \cdot b$$Da die 'Wurfweite' des Spiegels nun um \(b\) geringer ist, gilt

$$v_0 = \frac{7\text{m} - b}{t_F}$$Mit der Vorgabe \(v_H = v_0\) kann man \(b\) berechnen.

$$\frac12 \left( \frac{7\text{m} - b}{t_F}\right)^2 = \mu \cdot g \cdot b$$

$$\left( 7\text{m} - b\right)^2 = 2t_F^2 \cdot \mu \cdot g \cdot b$$

Der Term \(t_F^2 \cdot g\) ist \(=2h_0\) (s.o.) also:

$$\left( 7\text{m} - b\right)^2 = 4h_0 \cdot \mu \cdot b$$ $$b^2 - b \cdot \left( 14\text{m} + 4h_0 \cdot \mu \right) + 49\text{m}^2= 0$$ $$b_{1,2} = 7\text{m} + 2h_0 \cdot \mu \pm \sqrt{ (7\text{m} + 2h_0 \cdot \mu)^2 - 49\text{m}^2} $$

Da der Bremsweg \(b<7\text{m}\) sein muss, macht nur das Ergebnis für \(b_2\) Sinn. Als Geschwindigkeit für verschiedene Werte von \(\mu\) bekommt man dann

$$v_0(\mu = 0,1) \approx 3,31 \frac{\text{m}}{\text{s}} \approx 11,9 \frac{\text{km}}{\text{h}} $$ $$v_0(\mu = 0,2) \approx 4,47 \frac{\text{m}}{\text{s}} \approx 16,1 \frac{\text{km}}{\text{h}} $$ $$v_0(\mu = 0,3) \approx 5,28 \frac{\text{m}}{\text{s}} \approx 19,0 \frac{\text{km}}{\text{h}} $$

Du siehst, dass sich unter Berücksichtigung der Rutschstrecke, die berechnete Geschwindigkeit signifikant verringert. Selbst bei einem \(\mu=0,4\) kommt man nur auf knapp \(22 \text{km/h}\) - und dieser Wert für \(\mu\) ist sicher zu groß. Berücksichtigt man den Luftwiderstand, so wird sich die berechnete LKW-Geschwindigkeit erhöhen (und nicht vermindern, wie ich zuerst geschrieben habe!). Das erspare ich mir jetzt.

Ich hoffe, ich konnte Dir damit helfen. Feedback in jeder Form ist erwünscht!

Gruß Werner

Edit: die berechnete Startgeschwindigkeit des Spiegels erhöht sich, wenn der Luftwiderstand mit berücksichtig wird!

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Vielen Dank für deine Bemühungen, das war brilliant!

Ich hoffe wir können noch weiter in Kontakt bleiben!!!!

Freut mich :-)

War das Dein Spiegel oder bist Du der LKW-Fahrer?

Es war mein Auto. Schaden gesamt € 6900,--!

Ich danke dir nochmals vielmaß, da ich somit die Geschwindigkeit des LKW`s im Gegenverkehr nachweisen kann.

Darf ich dich etwas fragen? Bist Du Mathe oder Physik Professor

Gruß

Thommy

Ich bin Ingenieur Maschinenbau. Das obige ist mal abgesehen vom Schadensfall eine typische Ingenieursaufgabe. Aus physikalische Gegebenheiten ein mathematisches Modell aufstellen.

"Ich danke dir nochmals vielmaß, da ich somit die Geschwindigkeit des LKW`s im Gegenverkehr nachweisen kann."

Bedeutet das das sich sowohl PKW als auch LKW bewegt haben und zwar aufeinander zu ?

Thommy schrieb: "... da ich somit die Geschwindigkeit des LKW`s im Gegenverkehr nachweisen kann." Na ja - nachweisen ist wohl übertrieben. Außerdem hat so etwas IMHO vor Gericht keinen Belang, da ein Richter gar nicht in der Lage ist, zu beurteilen, ob obige Üerlegung korrekt und vollständig ist.

Meine Antwort oben ist zunächst ein Modell, das auf bestimmten Annahmen beruht. U.a. ging ich davon aus, dass Dein PKW zum Zeitpunkt des Unfalls still stand. Wobei ich nicht mehr habe, als Deine Aussage und das Foto.Wir gehen z.B. davon aus, dass sich der Spiegel nach(!) dem Abreißen noch in Fahrtrichtung vor(!) dem LKW befunden hat. Wenn er nur abgeknickt worden wäre und dann zwischen den Fahrzeugen abgerissen ist, so könnte die Fahrgeschwindigkeit des LKWs zu diesem Zeitpunkt auch sehr viel höher gewesen sein.

Wenn ich Sachverständiger wäre, mit dem Auftrag das zu beurteilen, so würde ich das ganze entweder nachstellen um mein Modell zu prüfen oder hätte es bereits getan; bzw. könnte mich auf praxisnahe Versuche dieser Art abstützen.

Ein fieser Anwalt der Gegenseite könnte Dir auch noch unterstellen, dass Dein Auto schon vorher kaputt war und Du den Spiegel da hingelegt hast. Woher weisst Du überhaupt, dass er nach 7m liegen geblieben ist. Hast Du das gemessen? Wenn ja, wie?

Du siehst, es bleibt spannend. Kannst ja mal berichten, wie die Sache weiter geht.

Gruß Werner

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